Die Geschichte der Sammlungen
Die vielfältigen Sammlungen des LVR-LandesMuseums Bonn sind das Resultat der ereignisreichen Geschichte des Museums. Sie wurden geprägt von Interessensschwerpunkten, politischen Entscheidungen und glücklichen Zufällen.
Die Gründung der Vorgängerorganisation des LVR-LandesMuseums, das „Antiquitätenkabinett Rheinisch-Westphälischer Alterthümer“ im Jahr 1820 erfolgte mit einem eindeutigen Auftrag und klarem Ziel: Die Ausgrabung, Erhaltung und Erforschung von archäologischen Funden im Rheinland.
Diese Ausgangssituation führte von Beginn an zu einem vor- und frühgeschichtlichen wie auch provinzialrömischen Schwerpunkt. Diese Bereiche wurden und werden durch eine breite Sammlungstätigkeit auf den Gebieten der Kunstgeschichte, Fotografie und weiteren Zeugnissen der Regionalgeschichte ergänzt – so entwickelte sich das LVR-LandesMuseum Bonn zum größten kulturgeschichtlichen Museum des Rheinlands.
Die Anfänge der Sammlung
Bei der Neugründung des Museums als Provinzialmuseum 1874 wurde entschieden, die Sammlungen des „Vereins der Altertumsfreunde im Rheinlande“ und die des Museums zusammenzufassen. Dabei war weniger die Sammlung des bereits bestehenden Museums entscheidend, als vielmehr die Exponate im Besitz des Vereins der Altertumsfreunde. Der Verein war nämlich nicht nur besser in der Forschungsgemeinschaft vernetzt, sondern fand auch deutlich mehr Unterstützung von Interessierten und Fachleuten, wodurch dessen Sammlung bedeutend größer war. So entstand aus den zwei unterschiedlichen Sammlungen die umfangreiche Sammlung des Provinzialmuseums.
Dank der Verschmelzung der beiden Sammlungen gelangten so prominente Objekte wie der Grabstein des römischen Soldaten Marcus Caelius in das Provinzialmuseum. Dieser am Fürstenberg in Kreis Wesel gefundene Grabstein ist durch die Inschrift, laut derer der Soldat im „BELLO VARIANO“ fiel, eines der wenigen Zeugnisse der Varusschlacht. Der Stein befindet sich bereits seit 1820 in Bonn.
Aus der Sammlung des Altertumsvereins kam beispielsweise der wunderbare Schatz aus dem Grab der sogenannten „Keltenfürstin“ aus Waldalgesheim in das Museum. Der Verein hatte die Objekte 1869 nach deren Entdeckung erworben. Heute sind diese kunstvollen Schmuckstücke und Gebrauchsgegenstände aus dem 4. Jahrhundert vor Christus im Bereich der Vor- und Frühgeschichte zu sehen.
Seltenes Zeugniss der Varus Schlacht: Der Grabstein des Marcus Caelius. Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.
Zuwachs durch Grabungen
Das Leitbild des Antiquitätenkabinetts, das während der (Neu-) Gründung des Provinzialmuseums 1974 abermals bekräftigt wurde, war der Erhalt von archäologischen Zeugnissen im Rheinland. Durch diesen auch von politischer Seite unterstützten Auftrag war im Museum von Beginn an die Bodendenkmalpflege ein integraler Bestandteil. Das Provinzialmuseum hatte die Verpflichtung, im Rheinland gefundene Objekte zu begutachten, zu bewahren und bereits vorsorglich bei Arbeiten im Boden mit Rat und Tat unterstützend und schützend mitzuwirken. Gerade letzteres ist im Gebiet des Tagebaus und der intensiven wirtschaftlichen Nutzung eine immense Herausforderung. Auch wenn die Bodendenkmalpflege 1987 als
LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland
ein eigenständiges Fachamt wurde, blieb die Sorge um das archäologische Erbe als gesetzlich verankerter Auftrag an das LVR-LandesMuseum Bonn bestehen.
§22 (…) (3) "Die Landschaftsverbände nehmen im Rahmen der Denkmalpflege durch Denkmalpflegeämter insbesondere folgende Aufgaben wahr: 1. Fachliche Beratung und Erstattung von Gutachten in allen Angelegenheiten des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, 2. wissenschaftliche Untersuchung und Erforschung der Denkmäler sowie deren Veröffentlichung und wissenschaftliche Behandlung der Fragen von Methodik und Praxis der Denkmalpflege, 3. Konservierung und Restaurierung von Denkmälern sowie fachliche Überwachung dieser Maßnahmen, 4. Wissenschaftliche Ausgrabungen, Bergung und Restaurierung von Bodendenkmälern, Überwachung dieser Maßnahmen sowie Erfassung der beweglichen Bodendenkmäler (…).“
Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-Westfalen (Denkmalschutzgesetz – DSchG) vom 11.03.1980.
Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-Westfalen (Denkmalschutzgesetz – DSchG) vom 11.03.1980.
Dank dieses seit jeher bestehenden staatlichen Auftrags zur Erhaltung der archäologischen Zeugnisse sind einige der heute bedeutendsten Werke in unsere Sammlung gelangt. So etwa die 1901 gefundene Grabstele von Niederdollendorf oder das älteste Objekt des Museums, der ca. 450.000 Jahre alte Faustkeil von Hochdahl, der 1927 entdeckt wurde. Im Rahmen von Vorgrabungen im Braunkohletagebau wurde 1955 das Grab des Herrn von Morken gefunden, dessen Grabbeigaben in ihrer Qualität bisher ohne Vergleich geblieben sind.
Neben den bei Grabungen und Bauarbeiten gefundenen Objekten kommen aber auch glückliche Zufallsfunde in das Museum: So ist 1954 der Fritzdorfer Becher, ein aus der Bronzezeit stammender Henkelbecher aus Gold, in das Museum gelangt, nachdem dieser bei landwirtschaftlichen Arbeiten auf einem Acker gefunden worden war.
Schenkungen, Nachlässe und Ankäufe
Die Sammlungen des LVR-LandesMuseums wurden – und werden – neben den Grabungsaktivitäten auch durch Ankäufe, Schenkungen und Nachlässe geprägt.
1877 wurde das heute vermutlich bekannteste Exponat für das LVR-LandesMuseum erworben: Das Skelett des Neandertalers. Nach dem Tod des Besitzers bestand die Gefahr, dass das Skelett durch einen Käufer nach England geht – das South Kensington Museum (das heutige Victoria & Albert Museum) in London war sehr an dem Neandertaler interessiert. Dank des gemeinsamen finanziellen Einsatzes des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande und von Hermann Schaaffhausen konnte dieser prominente Rheinländer jedoch ins Provinzialmuseum kommen. Der Neandertaler befindet sich noch immer im Haus und ist eines der ersten Exponate, das die Besucher*innen im Museum anschauen können.
Hermann Schaaffhausen hatte nicht nur beim Ankauf des Neandertalers eine wichtige Rolle gespielt, sondern war für die Entwicklung des Museums insgesamt von großer Bedeutung. Nach seinem Tod kamen zudem einige Objekte aus seinem Nachlass in das Museum – beispielsweise das Vögelchen aus Andernach, ein wunderbares Kunstwerk aus der Eiszeit.
Von besonderer Bedeutung für das Provinzialmuseum und dessen Sammlung war das Jahr 1902. In diesem Jahr verstarb Mathilde Wesendonck, Witwe des Kunstmäzens Otto Wesendonck und Besitzerin einer sehr großen Kunstsammlung. Von den Erben wurde entschieden, die umfangreiche Gemäldesammlung der Stadt Bonn als Leihgabe anzubieten. Nach einer Einigung zwischen der Stadt und der Provinzialverwaltung mit dem Erben gingen 226 Gemälde zunächst als Leihgaben in das Museum und 1925 konnte dann ein Teil der Gemälde erworben werden. Dank dieser Regelung hatte das Provinzialmuseum seinen Bestand an Gemälden relativ schnell bedeutend erweitert.
Durch Ver- und Ankauf in den 1930er/40er Jahre bekam die Gemäldesammlung einen rheinisch-niederländischen Schwerpunkt. Ausschlaggebend dafür waren die Vorstellungen der Nationalsozialisten über die Ausrichtung und den Zweck des Museums: Es sollte „artverwandte“ Kunst gezeigt werden, die der Doktrin der Nazis entsprach. Die meisten dieser Kunstwerke blieben jedoch nicht im Museum, sondern gingen nach dem Krieg an die Herkunftsländer zurück.
Nach dem Krieg wurde damit begonnen, Kunstwerke zu sammeln, die der Düsseldorfer Malerschule und der Rheinromantik zugerechnet werden. Das Sammeln solcher Werke hätte tatsächlich bereits im 19. Jahrhundert geschehen können, aber die damals zeitgenössische Kunst stand bei den zuständigen Personen nicht gerade hoch im Kurs. Mittlerweile beherbergt das LVR-LandesMuseum eine der größten Sammlungen der Düsseldorfer Schule weltweit.
Darunter sind auch einige der beliebtesten Werke jener Zeit. Beispielsweise war Louis Ammy Blancs „Kirchgängerin“ von 1837 bereits kurz nach der Entstehung ein großer Publikumserfolg, der vielfach, vielgestaltig und mit manchmal fragwürdigem Stilempfinden reproduziert wurde.
Seit den 1970er Jahren wurde das breite Sammlungsrepertoire des LandesMuseum um das Medium der Fotografie erweitert. Dass der Beginn der Sammlungstätigkeit in die 1970er Jahre fällt, liegt vor allem daran, dass ab 1975 regelmäßig Fotografieausstellungen im - damals noch Rheinischen - Landesmuseum Bonn gezeigt wurden und das Haus damit frühzeitig und maßgeblich zur Institutionalisierung des Mediums in Deutschland beigetragen hat.
Verbunden mit den Ausstellungspräsentationen fanden zunehmend fotografische Bestände Eingang in die Sammlung. Diese wurden ergänzt durch wichtige Dauerleihgaben wie die Sammlung der Gesellschaft Photo-Archiv, Schenkungen und zahlreiche weitere Erwerbungen.
Nicht zuletzt hat die Übernahme von so bedeutenden Nachlässen wie Liselotte Strelow und Hermann Claasen, zuletzt Angela Neuke, den Bedeutungszuwachs der Fotografie am Haus bemerkenswert dokumentiert.
Äußerst beliebt: „Die Kirchgängerin" von Louis Ammy Blanc von 1837. Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.